Große Hilfsbereitschaft und schwierige Bedingungen
Flüchtlinge sind angekommen / Informationen der Willkommensinitiative WOLV
Mittlerweile füllt sich das Flüchtlingsheim am Kreisverkehr. Seit dem 19. Oktober kommen fast täglich neue Flüchtlinge in die renovierte Fliegerschule. Mit Stand 8. November wohnen etwa 150 Menschen in der Unterkunft.
Die Unterbringung ist technisch auf einem guten Standard, hat aber natürlich keinen wohnlichen Charakter. Die Unterkünfte sind sehr einfach, aber zweckmäßig eingerichtet. Es gibt Gemeinschaftsküchen und ‑toiletten sowie eine Waschküche im Keller. Nach den Erfahrungen der letzten Monate sind die Flüchtlinge recht zufrieden – es ist warm und hell. Was naturgemäß fehlt, ist Privatsphäre. In der Regel sind zwei Etagenbetten für vier Personen pro Zimmer aufgestellt. Teilweise sind wildfremde Menschen im selben (kleinen) Zimmer für eine zunächst unbestimmte Zeit untergebracht – man muss sich arrangieren.
Schwierige Ankunft
Entgegen der Annahme, die Flüchtlinge würden nach Fertigstellung der Unterkunft gesammelt mit Bussen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen nach Bärenklau gebracht werden, war die Anreise für die meisten neuen Bewohner recht abenteuerlich. Die Flüchtlinge werden meist in der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt mit einer Bahnfahrkarte nach Bärenklau ausgestattet – eine Routenbeschreibung fehlt. Schließlich ist der Bahnhaltepunkt Bärenklau nicht die optimalste Anbindung zum Reiseziel. So hatten wir in der Nacht eine Mutter mit zwei Kindern in strömendem Regen am Bärenklauer Bahnhof bei acht Grad vorgefunden und zu ihrem Ziel gebracht.
Vielen anderen neuen Bewohnern ging es nicht anders, sie standen recht orientierungslos in Bärenklau oder anderswo. Geholfen haben dann einige Aushänge in Bahnhofsnähe, die den Flüchtlingen eine Telefonnummer zur Hilfe anboten. Einige Helfer kümmerten sich um den Transport der Ankommenden.
Willkommensgruß und erste Kontakte
Im Heim haben wir sie dann mit einem kleinen Beutel mit dem Nötigsten versorgt. Hier haben uns örtliche Firmen unterstützt. Vielen Dank vor allem dem REWE-Markt Mike Gabrich in Leegebruch.
Vor Ort sind derzeit Sozialarbeiter zu üblichen Bürozeiten (etwa bis 16 Uhr), die sich um die formellen Aspekte kümmern. Wer auf Dauer vor Ort sein wird ist noch offen. Momentan ist der Sozialarbeiter eher mit Verwaltungs- und Unterbringungsfragen befasst.
Den Willkommensgruß haben wir für erste Kontaktaufnahmen genutzt und erste Hilfen gegeben. Die Flüchtlinge kommen zu einem überwiegenden Teil aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Aber auch aus Pakistan, Afghanistan, Iran und Kamerun. Dabei sind erwartungsgemäß häufig Familien mit Kindern. Das Durchschnittsalter ist eher jung – viele sind um die zwanzig Jahre alt. Die meisten sind erschöpft und froh, endlich zur Ruhe zu kommen. Auch haben wir schwangere Frauen willkommen geheißen – mittlerweile wurde auch das erste Kind geboren.
Unser Eindruck: Die Flüchtlinge sind insgesamt sehr dankbar für die freundliche Aufnahme im Heim und wollen möglichst rasch die deutsche Sprache erlernen. Keiner will den Sozialkassen auf der Tasche liegen, im Gegenteil: man möchte arbeiten und das so bald wie möglich. Dabei wollen sie die mittlerweile über 200 Unterstützer unserer Willkommensinitiative gerne unterstützen.
Neben dem „Begrüßungspaket“ bei der Anreise gab es weitere Gelegenheiten zur Kontaktaufnahme. Die gerade erst angekommenen neuen Nachbarn wurden beispielsweise zum Herbstfest der Linken am 24. Oktober in die Familienfreizeitanlage geladen. Es waren zwar noch zaghafte, dennoch durchaus angenehme Begegnungen und Gespräche, die sich dort ergaben. Einige unserer WOLV-Mitstreiter sind häufiger im Heim bei den Bewohnern und helfen mit Rat und Tat. Insbesondere mit den Flüchtlingsfamilien wurden Ausflüge in die Region unternommen. Mittlerweile wurden schon intensive Patenschaften geschlossen.
Die Willkommensinitiative ist weiterhin bestrebt, das gegenseitige Kennenlernen zu befördern. Im kommenden Frühjahr soll dazu ein Willkommensfest stattfinden.
Es fehlt an Beschäftigungsangeboten
Problematisch – das zeigt sich schon jetzt – sind fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft. Zum „Nichtstun“ verdammt zu sein, kann Konflikte befördern. Leider mussten Gemeinschaftsräume zugunsten der Kapazitätserhöhung geopfert werden. Die meisten Flüchtlinge warten auf ihre Anerkennung und haben Termine für ihr Interview mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) häufig erst in einigen Monaten. Solange können und dürfen sie nicht arbeiten. Auch die geförderten Deutschkurse seitens der Verwaltung können erst in einigen Wochen beginnen und werden erst einmal nur maximal 50 Personen helfen, Deutsch zu lernen. Diese erzwungene Untätigkeit und die Ungewissheit über den Ausgang und die Dauer des Asylverfahrens zerrt an den Nerven der Flüchtlinge.
Spenden dankbar angenommen
In ersten Aktionen haben wir Winterkleidung, die uns nach wie vor von sehr vielen Spendern gebracht wird, verteilt. Wir bekommen aktuell mehr Kleidung gespendet, als wir benötigen und verteilen können. Aber wir haben trotzdem Bedarf – Küchenutensilien, Kleidung für Jugendliche, Elektrogeräte, Fahrräder, … werden immer benötigt.
Weitere Aktivitäten
Wir wollen am Heim nach Möglichkeit einen Büro- Container als Ansprechpunkt errichten und von dort aus Beratung und Lebenshilfe organisieren. In verschiedenen Arbeitsgruppen haben wir begonnen, Grundkurse der deutschen Sprache, übliches Verhalten in Deutschland und andere Wissensangebote zu organisieren. Außerdem werden wir einfache Beratung und Hilfen bei Problemen – vom Arztbesuch bis zur Übersetzung bei Behörden anbieten. Einige von uns kümmern sich vor allem um die schnelle Eingewöhnung der Kinder.
Bisher zahlt sich die relativ lange Vorbereitungszeit bis zur Eröffnung der Gemeinschaftsunterkunft aus. Unsere Hilfen greifen und die Strukturen innerhalb der Initiative sind weitgehend organisiert – auch wenn die Einrichtung in den kommenden Wochen voll belegt sein wird. Wer die Menschen kennenlernt, die unsere Hilfe so dringend benötigen, wird feststellen, dass es sich lohnt. Allein das Menschsein verbindet uns – und je schneller die Integration in Deutschland gelingt, desto eher werden wir und unsere neuen Nachbarn Probleme und Konflikte überwinden, die sicher in der einen oder anderen Form auf uns zukommen werden.
Werner Moll & Giso Siebert
Dieser Artikel erschien Ende November 2015 im LEEGEBRUCH JOURNAL