6 Jahre WOLV (2014–2020)
Die Initiative „Willkommen bei uns in Oberkrämer, Leegebruch und Velten“ (WOLV) hat sich Ende 2014 gegründet und blickt mittlerweile auf fast sechs (!) Jahre Engagement zurück, die sehr ereignisreich und arbeitsintensiv, aber vor allem erfolgreich und für alle Beteiligten sicher bereichernd waren.
Die aktuelle Situation rund um das COVID-19-Virus hat vieles grundlegend geändert – und erfüllt auch uns mit Sorge.
Einige Verdachtsfälle in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) Oberkrämer haben sich erfreulicher Weise nicht bestätigt. Die Bewohner können sich frei bewegen. Natürlich unter Berücksichtigung der Vorsichtsmaßnahmen, die für uns alle gelten.
Wir halten es aber unter den gegebenen Umständen für unverantwortlich, die Menschen in Gemeinschaftstoiletten und ‑küchen, d. h. auf sehr engem Raum wohnen zu lassen. Die von Wissenschaft empfohlenen und politisch vorgeschriebenen Abstandsregeln können so keinesfalls eingehalten werden.
Nach wie vor hat die Verwaltung aus unserer Sicht kein schlüssiges Konzept, wie sie mit der aktuellen Situation umgeht. Eine Entzerrung der Belegung wird leider nicht einmal diskutiert. Entsprechende Petitionen, die Veränderungen fordern, werden ignoriert. Die Situation in der GU in Hennigsdorf zeigt jedoch, wie schnell die Situation unkontrollierbar werden kann. Von außen gleicht das Gelände einem schwer bewachten Gefängnis.
Wir rufen die Kreisverwaltung eindringlich auf, die Geflüchteten und Asylbewerber, soweit es geht, dezentral unterzubringen, mindestens die Zimmerbelegung zu reduzieren und alle BewohnerInnen, SozialabeiterInnen sowie das Sicherheitspersonal kontinuierlich wöchentlich testen zu lassen.
Die Menschen sind verunsichert oder verängstigt. Das gilt für die Bewohner der GU ebenso wie für die vielen ehrenamtlich Tätigen. In den letzten Jahren bewährte Kontaktformen und ‑wege brechen weg, neue müssen mühsam aufgebaut werden. Angebote, wie die nach wie vor erfolgreiche Fahrradwerkstatt der WOLV, liegen auf Eis. Auch unsere Beratung und andere Unterstützungen sind, wenn überhaupt, nur unter erschwerten Umständen möglich.
Dennoch machen wir weiter, da die Menschen in der Unterkunft derzeit mehr denn je unsere Unterstützung benötigen.
WOLV 2014–2020 – was wurde bisher erreicht?
Als größten Erfolg sehen wir, dass alle Familien, die im ersten Jahr in die GU eingezogen sind, diese inzwischen dauerhaft verlassen haben, auf eigenen Füßen stehen und ihr Leben in Deutschland weitgehend ohne Hilfen bestreiten. Mehr als 70 Einzelpersonen oder Familien konnten in Wohnungen vermittelt werden. Die meisten haben, auch mit intensiver Unterstützung der Initiative, dauerhaft Arbeitsstellen, Studien- oder Praktikumsplätze gefunden, andere absolvieren Qualifizierungsmaßnahmen oder Berufsvorbereitungskurse.
Viele Bewohner der GU haben inzwischen erfolgreich Sprachkurse absolviert, sind in der Lage, sich ohne Unterstützung in Oberkrämer und darüber hinaus zurechtzufinden. Die Kinder und Jugendlichen besuchen altersgerecht die örtlichen Schulen oder Kitas.
Nach wie vor gibt es, bis auf ganz wenige Einzelfälle, keine polizeirelevanten Vorfälle, auch wenn immer wieder gegenteilige Gerüchte in die Welt gesetzt werden. Die Begegnungsfeste, die wir in den Jahren 2016 bis 2018 mit finanzieller Unterstützung durch Landkreis und Kommune veranstaltet haben, waren Highlights und haben sicher dazu beigetragen, dass gegenseitiges Verständnis, Kennenlernen und letztlich Integrationsbemühungen Früchte getragen haben. Seit 2019 beteiligen wir uns vorwiegend an regionalen Veranstaltungen, z. B. Dorf- und Erntedankfesten.
Innerhalb der GU ist es inzwischen sehr viel leiser geworden und weniger hektisch. Die Betreuung durch die Sozialarbeiter in der GU hat sich inzwischen gut eingespielt, alles hat sich stabilisiert. Kamen 2015 noch 2068 Menschen als Flüchtlinge und Asylsuchende nach Oberhavel, sind die Zahlen in den Jahren 2016 bis 2019 kontinuierlich gesunken.
Die Gemeinschaftsunterkunft Bärenklau/Leegebruch ist seit Herbst 2015 fast durchgehend vollständig belegt, war in der Spitze mit über 240 Bewohnern völlig überbelegt. Aktuell leben dort zwischen 110 und 140 Personen, davon ca. 35 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre. Mehr als 30 sind in Wohnungen in Leegebruch, Oberkrämer und Velten untergebracht. Im neuen Anbau leben deutsche und ausländische Familien in Sozialwohnungen. Viele Geflüchtete leben und arbeiten auch in Berlin, Oranienburg und Hennigsdorf.
Gab es anfangs noch einen Anteil von ca. 70 Prozent Syrern, hat sich dieser auf noch etwa 25 Prozent reduziert. Die nächstgrößeren Gruppen sind Geflüchtete aus Kamerun, Afghanistan, Iran und Pakistan. Leider leben einige von ihnen, meist Alleinstehende, schon seit mehr als drei Jahren in der Unterkunft.
Obwohl nicht mehr im Asylverfahren, also überwiegend anerkannt oder mit einer Aufenthaltserlaubnis ausgestattet, leben viele Betroffene nach wie vor in der GU. Sie müssten und wollen diese eigentlich verlassen, ebenso diejenigen, die eine Arbeit gefunden haben. Der Landkreis erlaubt zwar den Verbleib in der Unterkunft, die Betroffenen müssen in diesen Fällen aber Miete zahlen. Aus unserer Sicht sind die Miethöhen, die teilweise so hoch wie für Ein-Raum-Wohnungen sind, zu kritisieren und sollten dringend überprüft werden. Es wird eine Zwangslage erzeugt, der die Bewohner nicht entgehen können.
Denn leider gibt es auch in unserer Region bei Weitem zu wenig freien und bezahlbaren Wohnraum. Wer aktuell aus der GU Leegebruch/Bärenklau ausziehen möchte, steht vor den gleichen großen Problemen, die auch andere Teile der Bevölkerung haben. Sie sind jedoch gegenüber einheimischen Bewerben in der Regel im Nachteil. Das bedeutet für uns, viele frustrierende vergebliche Bewerbungen zu unterstützen und zu begleiten.
Unbefriedigend und oft nicht nachvollziehbar sind immer noch zu viele Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Man stelle sich vor, in anderen deutschen Verwaltungen würden etwa 40 Prozent der Bescheide einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Dies ist aber bei vielen afghanischen Asylanträgen der Fall. Darüber hinaus gibt es immer noch große Unterschiede bei der persönlichen Beratung, Einstufung und Förderung von Geflüchteten bei den jeweils zuständigen Ämtern.
Viele Probleme sind bei allem Engagement der Initiative und anderer ehrenamtlich Tätigen nicht lösbar, hier sind politische und gesellschaftliche Lösungen gefragt. Die Geflüchteten brauchen inzwischen dringend Wohnungen und Arbeits- und Ausbildungsplätze, damit sie bei uns eine neue Lebensperspektive entwickeln und sich integrieren können. Inzwischen gibt es bei einigen Bewohnern der GU Anzeichen für eine negative Entwicklung, die auch bei anderen Langzeiterwerbslosen auftritt. Hier muss schnell gegengesteuert werden.
Entsprechend der veränderten Bedingungen haben sich auch die Aufgaben der Initiative WOLV verändert. In erster Linie geht es um grundsätzliche Beratungen und Hilfestellungen, Hilfe bei der Wohnungssuche und kontinuierliche Angebote, die zur besseren oder schnelleren Integration beitragen. WOLV hat bis zur COVID-19-Krise dienstags und samstags jeweils feste Beratungstermine angeboten. Darüber hinaus gab es teils individuelle Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, beim Einüben der deutschen Sprache und beim Überwinden bürokratischen Hürden. Auch die Fahrrad-AG war an (fast) allen Samstagen in unmittelbarer Nähe zur GU ein sehr beliebter Anlaufpunkt in der Freizeit. Dort gab es Gelegenheit zum Kennenlernen, Austausch und Sprachtraining.
All diese Angebote mussten aufgrund der Pandemie und auch zum Schutz unser vielen Ehrenamtlichen heruntergefahren werden. Klar ist, ohne ausreichende Sprachkenntnisse und gleichzeitige die Bereitschaft der Verwaltung und der Wirtschaft, Chancen zu eröffnen, ist eine erfolgreiche Integration nicht machbar. Die Initiative WOLV wird weiter versuchen zu beraten, zu informieren, zu vermitteln und realistische Wege für die Geflüchteten aufzuzeigen.
Viele Asylbewerber und Geflüchtete benötigen auch außerhalb der Unterkunft in Bärenklau/Leegebruch Unterstützung in vielerlei Hinsicht. Zahlreiche Ehrenamtliche, nicht alle Mitglieder bei WOLV, sind hier seit Jahren sehr engagiert und helfen bei allen auftretenden Problemen. An dieser Stelle ein großes Danke schön an die tollen Menschen!
Ab Ende Mai 2020 plant die WOLV, die Hilfsangebote unter Einhaltungen der pandemiebezogenen Vorgaben langsam aber kontinuierlich wieder aufzubauen.