So etwas wie Alltag ist zwar eingekehrt …
… doch es gibt viele Hindernisse
Seit der Eröffnung der Gemeinschaftsunterkunft (GU) Bärenklau/Leegebruch Ende 2015 hat sich vieles geändert – es ist an der Zeit, mal wieder über die Arbeit der Initiative „Willkommen bei uns in Oberkrämer, Leegebruch und Velten (WOLV)“ zu informieren:
Kamen 2015 noch 2068 Menschen als Flüchtlinge und Asylsuchende nach Oberhavel, waren es in den Jahren 2016 und 2017 nur noch 488 bzw. 418 und im letzten Jahr 453. Die Zahlen stabilisieren sich damit etwa auf dem Niveau von 2015. In der GU gab es in der Spitze fast 260 Bewohner, sie war damit stark überbelegt. Aktuell leben dort etwa 140 Menschen. Die Anzahl war zwischenzeitlich auf nur noch etwa 100 Personen gesunken und steigt seit einem Jahr langsam wieder an. Dies liegt vor allem daran, dass der Landkreis viele kleinere und provisorische Unterkünfte geschlossen hat. Auch an den beiden großen Standorten in Lehnitz und Hennigsdorf wurde die Bewohnerzahl inzwischen erheblich reduziert. Eine qualitativ bessere Betreuung in den Unterkünften durch die Sozialarbeiter/innen sowie eine deutliche Kostenreduzierung für den Kreis sind die Folge.
Unter den ca. 140 Bewohnern sind derzeit etwa 40 Kinder und Jugendliche. Altersentsprechend besuchen sie die Schulen, einige mittlerweile erfolgreich das Gymnasium, bzw. die Kitas. Der geordnete Tagesablauf hilft innerhalb der GU sehr, es ist inzwischen sehr viel leiser geworden und weniger hektisch.
Auch bezüglich der Herkunft der Bewohner hat sich etwas verändert. Gab es anfangs noch etwa einen Anteil von ca. 70 Prozent an Syrern, hat sich dieser aktuell auf nur noch etwa ein Viertel reduziert. Die nächstgrößeren Gruppen sind Menschen aus Kamerun, Afghanistan und dem Iran. Leider leben einige von ihnen schon seit Ende 2015, also seit drei Jahren in der GU. Viele anerkannte Flüchtlinge sind mittlerweile in Wohnungen untergekommen – oft mit organisatorischer und logistischer Unterstützung unserer Willkommensinitiative. Andere sind zu Verwandten oder Freunden in andere Regionen von Oberhavel und Deutschland gezogen.
Obwohl nicht mehr im Asylverfahren, also überwiegend anerkannt, lebt aber noch ein großer Teil der Betroffenen in der GU. Sie müssten diese eigentlich verlassen. Die Wohnungssuche gestaltet sich aber zunehmend schwierig. Leider gibt es auch in unserer Region zu wenig freien und bezahlbaren Wohnraum. Der Landkreis erlaubt zwar den Verbleib in der Unterkunft, das Problem wird so aber nicht gelöst.
Viele der Erwachsenen haben mittlerweile Arbeit gefunden, z. B. in Hotels, oft in Berlin. Andere absolvieren sprachliche und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen oder Berufsvorbereitungskurse, es laufen Bewerbungen für Ausbildungsplätze. Es sieht für einige schon ganz gut aus, andere tun sich aus unterschiedlichen Gründen immer noch schwer, bei uns Fuß zu fassen, eine neue Lebensperspektive zu entwickeln.
Völlig unverständlich sind die zunehmenden Arbeitsverbote für nicht anerkannte Menschen, selbst für einige, die schon erfolgreich in Arbeitsverhältnissen standen. Ihnen werden damit die Integrationsperspektive und ein Leben auf eigenen Füßen abgeschnitten. Warum jemandem, der im Krankenhaus in der Logistik gearbeitet hat, ohne nachvollziehbaren Grund nach sechs Monaten die Erlaubnis wieder entzogen wird, ist nicht ohne Weiteres verständlich. Insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich würden viele Flüchtlinge gerne lernen und arbeiten. Obgleich des großen Bedarfs in Deutschland werden immer wieder Einzelfallentscheidungen getroffen, die weder im Interesse der Betroffenen noch der Arbeitgeber sind. Trotz oft geäußerter Kritik und offensichtlich großem Schaden für die deutsche Gesellschaft scheint dies kaum jemanden zu interessieren.
Unbefriedigend und oft nicht nachvollziehbar sind auch nach wie vor die Arbeit und die Beurteilungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Etwa 40 Prozent der negativen Entscheidungen bei Afghanen werden durch die Gerichte nachträglich korrigiert. Jede andere Behörde, die mit einer solch hohen Fehlerquote arbeiten würde, stände ohne Zweifel und zu Recht in der öffentlichen Kritik. Bei Flüchtlingen und Asylbewerbern geht es aber nicht nur um Strafzettel, sondern um menschliche, zumeist tragische Schicksale.
Insgesamt hat sich also so etwas wie Alltag in der GU Bärenklau/Leegebruch eingestellt. Die Abläufe bei den Behörden sind geordneter, die Zuständigkeiten überwiegend geklärt. Die „Neuen“ im Heim werden von den „Alten“, den Sozialarbeitern und auch von uns unterstützt und begleitet. Es hat sich vieles eingespielt. Aber – von gelungener Integration kann im Großen und Ganzen noch nicht gesprochen werden, die genannten Beispiele machen dies deutlich. Viele Hindernisse sind bei allem Engagement der Initiative nicht ausräumbar, hier sind politische und gesellschaftliche Lösungen gefragt.
Die Bewohner der GU Bärenklau brauchen keine Kleidung mehr, sondern Wohnungen und Arbeits- und Ausbildungsplätze, damit sie bei uns eine neue Lebensperspektive entwickeln können. Es ist deutlich, dass unser Engagement noch notwendig ist. Noch sind nicht alle Hilfesuchenden wirklich „angekommen“. Natürlich sind auch psychische und physische Folgen der Flucht aus der jeweiligen Heimat Gründe für individuelle Probleme. Besonders diese Menschen brauchen weiterhin unsere Unterstützung beim Spracherwerb, der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie Fragen des täglichen Lebens in Deutschland.
Die Initiative WOLV bietet immer noch zwei feste Beratungstermine wöchentlich an, die nach wie vor von vielen Bewohnern regelmäßig wahrgenommen werden. Insbesondere die Fahrrad-AG ist an (fast) allen Samstagen Anlaufpunkt in der Freizeit, bietet Gelegenheit zum Kennenlernen und zur Kommunikation. Nach wie vor sind Fahrrad-Spenden sehr willkommen. Diese können samstagmittags an der GU abgegeben oder – nach Absprache mit Birgit und Stephan Glorius (0152) 53 46 70 80), auch abgeholt werden.
Werner Moll